Zu Beginn einer jeden Therapie in unserer Einrichtung steht ein Anamnesegespräch. Es geht um die Lebensgeschichte, das Suchtgedächtnis. Wir machen uns gemeinsam auf den Weg den Auslöser einer oft jahrzehntelangen Qual für unser Klientel zu finden. Schicksalsschläge, Verluste, Trauer, aber auch Missbrauch und Gewalterfahrungen sind oft eng verbunden mit der Flucht in eine Suchtmittelabhängigkeit.
Und dann gibt es diese kleinen Geschichten, Erinnerungen an Schönes, Erlebtes. Oft schon blass in den Erzählungen und doch mit einem Leuchten in den Augen. Diese Geschichten sind Zeugen einer Zeit ohne Schmerz, einer Zeit „in der noch alles gut war“.
So ein Gespräch führten wir im letzten Jahr. Auf die Frage „Waren Sie denn je wieder Zelten seitdem?“ kam die Antwort „Das traue ich mich nicht.“
Eine Abhängigkeitserkrankung aufzuarbeiten ist mutig! Sich den Geistern der Vergangenheit zu stellen ist mutig! Und Zelten? Ja, dazu gehört irgendwie auch Mut.
Die ersten Gespräche. Irgendwie kam das Thema immer wieder auf. Mensch, einfach mal raus, was anderes sehen, das Leben anders genießen. Unter unseren Mitarbeitern fanden sich keine erfahrenen Profi-Camper, aber sehr wohl einige mit Ideen, Bereitschaft und ein bisschen Abenteuerlust. Irgendwie wurde die Idee konkreter, wir fingen an erste Zelte zu besorgen, Luftmatratzen, Schlafsäcke, Klappstühle. Wir recherchierten Zeltplätze, wir mussten einige Besonderheiten bedenken, um unserer Klientel auch im Campingurlaub gerecht werden zu können. Und dann ging es auch schon los. Für zwei Nächte. Erstmal zur Probe. Und es war für uns alle eine großartige Erfahrung. Lange Abende am See, gemütliches Grillen, Gespräche fernab von jedem gewohnten Therapiesetting. Mitarbeiter und Klientel waren beschwingt von einer ganz anderen gemeinsam erfahrenen Freiheit und es war sofort klar: das machen wir wieder!
Am vergangenen Wochenende waren wir nun schon zum dritten Mal Zelten. Wir sind schon eine richtige Crew. Die Aufgaben sind wie von allein verteilt. Jeder, der möchte, wird mitgenommen, angenommen, findet seinen Platz. Wir genießen das Wetter, die Zeit, den Raum und wir sind uns sicher unserer Klientel ein ganz großes Stück an Lebensqualität durch diese Erfahrungen zurück geben zu können.