Eine wichtige Aufgabe in einer konsumorientierten Gesellschaft ist das Erlernen des Umganges mit Geld. Daher ist es sinnvoll jungen Menschen einen angemessenen und altersentsprechenden Geldbetrag in Form von Taschengeld zur Verfügung zu stellen. Einerseits werden junge Menschen dadurch in ihrem Autonomiebestreben unterstützt, Erleben frühzeitig eine Verselbständigung und Erlernen eine eigene Lebensführung im gesicherten Rahmen. Andererseits können sie als vollwertige Mitglieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben, ihre eigenen Bedürfnisse erfüllen und lernen die Abläufe der Finanzwirtschaft zu reflektieren. Werden junge Menschen hier frühzeitig und kompetent begleitet, wird es ihnen später besser gelingen, ihr Leben aus finanzieller Sicht zu meistern.
Es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Taschengeld für junge Menschen, die in ihren Herkunftsfamilien aufwachsen und „Taschengeld“ in der Kinder- und Jugendhilfe. In stationären Wohngruppen erhalten junge Menschen nämlich einen „Barbetrag zur persönlichen Verfügung“. Was jetzt zunächst nur nach einem anderen Begriff klingt, beinhaltet jedoch einen entscheidenden Unterschied. Junge Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe haben nämlich einen Rechtsanspruch auf diesen Barbetrag, der für Kinder in ihren Herkunftsfamilien so nicht besteht. Hier können Eltern frei entscheiden, ob sie ihren Kindern ein Taschengeld zur Verfügung stellen. Der Anspruch auf den Barbetrag zur persönlichen Verfügung entsteht gemäß §§ 39 Abs. 2 und 41 Abs. 2 SGB VIII.
Die Höhe des Barbetrages zur persönlichen Verfügung untersteht dem Landesrecht und kann von Bundesland zu Bundesland variieren. Die berücksichtigt den altersbedingten Unterhaltsbedarf und ist somit nach Lebensjahren gestaffelt.
Der Anspruch auf den Barbetrag gilt uneingeschränkt, er ist nicht an ein bestimmtes Verhalten der jungen Menschen gebunden. Somit kann der junge Mensch frei über die Verwendung des Barbetrages entscheiden und Dinge erwerben zu denen er aus rechtlicher Sicht befähigt ist.
Kürzungen oder Entzug des Barbetrages als Strafe für Vergehen, Fehlverhalten oder zur Wiedergutmachung bei Sachbeschädigungen sind nicht zulässig. Es gibt keine Rechtsgrundlage für eine Kürzung des Barbetrages aus erzieherischen Gründen.
Der Barbetrag ist somit kein Mittel zur Disziplinierung. Die Aufgabe der verantwortlichen Erzieher besteht darin, die Kinder/Jugendlichen und jungen Volljährigen bei der Einteilung und der Verwendung des Geldes zu beraten und zu unterstützen.
Nach Absprache und Zustimmung mit dem jungen Menschen kann dieser jedoch entscheiden, ob er beispielsweise bei der Regulierung eines durch ihn entstandenen Schadens einen Teil aus seinem persönlichen Barbetrag beisteuert oder welche andere Form der Wiedergutmachung geleistet werden kann.
Im Landkreis Stendal gab es bis 2023 die Regelung, dass ein Teil des Barbetrages beispielsweise für die Finanzierung von Klassenfahrten zu verwenden ist. Das stellt jedoch eine Zweckentfremdung des Betrages dar und entspricht nicht dem Bundes- und Landesrecht. Durch einen entsprechenden Hinweis der Beratungs- und Beschwerdestelle „Ombud Land Sachsen-Anhalt“ an das Jugendamt und den Jugendhilfeausschuss wurde diese Regelung aufgehoben. In den Richtlinien über die Gewährung von einmaligen Leistungen in Form von Beihilfen oder Zuschüssen gemäß § 39 Abs. 3 SGB VIII wurde der entsprechende Absatz geändert und liest sich nun wie folgt:
Der Barbetrag dient der Erfüllung persönlicher Wünsche und Bedürfnisse. Kinder und Jugendliche sollen damit Ausgaben für individuelle Hobbys, kleine Geschenke etc. bestreiten können, die in den pauschalen Leistungen für die Versorgung in der Einrichtung nicht enthalten sind.
Junge Menschen können über den Betrag frei verfügen, also nach eigener Entscheidung ausgeben oder ansparen. Der Erhalt oder die Verwendung des Barbetrages (Taschengeldes) ist nicht an ein bestimmtes Verhalten gebunden, ein Einsatz für Zwecke, über die das Kind/der Jugendliche nicht selbst entscheidet, ist insofern auch nicht zulässig.